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  • Nadia

    Nadia


    Oktober 2008 kam ich mit meinen Eltern und meinem Grossen Bruder in die Schweiz. Sehr lange habe ich mich als Kind danach gesehnt endlich mit meinem Vater zusammenzukommen und als eine vollständige Familie ein " Normales " Leben zu führen. Es fing schon damit an, dass wir immer Umziehen mussten und so fiel es mir schwer mich einzuleben und feste Freunde zu finden.

    Schon als kleines Mädchen sehnte ich mich nach Freiheit. Ich und träumte von einer sorgenlosen Zukunft wo ich selber entscheide wie ich mein Leben gestalte. Alle meine Freunde durften entscheiden was sie trugen und wie sie ihre Freizeit gestalten und genau das wollte ich auch.

    Nun näherte ich zu meinem 13ten Geburtstag und mein Vater verliess uns. Das Familienleben war nun auf dem Kopf gestellt. Viele redeten meiner Mutter ein, dass es das wichtigste ist was andere jetzt denken von uns, dass ihre Tochter doch langsam ein pubertierendes Mädchen sei und wie die Teenager heutzutage abstürzen und ohne Vater müsste sie doch strenger werden.

    Bei meinem Bruder ist es ja egal, weil er ein Junge sei. So fing meine Mutter an den anderen alles recht zu machen indem sie mich einsperrte, verbietet weiterhin eine Sportart auszuüben damit ich nicht in Kontakt mit Jungs komme. Verbat mir mit meinen Freundinnen rauszugehen, an Schullager durfte ich nicht teilnehmen.

    Wenn ich mal Zehn Minuten nach Schulschluss nicht daheim war suchte sie die Polizei auf. So fing ich an in den vier Wände meine eigene Welt aufzubauen und mich zufrieden zu geben. Aber auch in den vier Wänden wurde es nicht besser, jeden Tag fing der Tag mit Streit, Gewalt und Tränen an und endete auch so. Da nur das Badezimmer einen Schlüssel hatte wo ich alleine sein konnte, verbrachte ich die meiste Zeit im Bad und sprach mit mir selbst, weinte und verletzte mich selbst.

    Sehr oft sprachen meine Lehrer auf die Narben an und nahmen Kontakt mit meiner Mutter auf und probierten ihr zu erklären, dass es ihrer Tochter nicht gut geht. aber das wollte sie nicht verstehen. Der einzige wo mich im Arm nahm war mein grosser Bruder. Aber ihm war meine Mutter sehr viel wichtiger und stellte sich mit der Zeit auf ihre Seite und so wurde mein Alltag noch schwerer zu ertragen

    Ich bekam extreme Schlafstörung. Mein Arzt verschrieb mir unter Bedingungen Schlaftabletten und erklärte mir, dass ich nur eine halbe nehmen darf. Nach sehr heftigen Streitereien nahm ich 2-3 Tabletten, das genügte mir schon die Realität nicht mehr wahrzunehmen. Es gefiel mir. Ich wusste damals nicht, dass es auch abhängig machen kann und so verschwand ich immer wieder in einer anderen Dimension.

    In der Schule wurden meine Leistungen schlechter und die Schlaflosen Nächte wurden immer wie schlimmer. Ich verspürte sehr viel Druck von allen Seiten. Die Zusammenbrüche konnte ich nicht mehr ertragen & entschied von dieser Welt zu verschwinden. Ich hatte nichts mehr was mich noch am Leben hielt.

    4.Juli 2013 fing der Tag wie gewohnt mit Schreit an aber da hörte ich zum ersten Mal "Wegen dir leiden wir alle, ohne dich wären wir besser dran". "Meine Schwester ist schon lange tot, ich weiss nicht wer du bist" verschwinde endlich!"

    Mit Tränen ging ich aus dem Haus. In der Schule bemerkte mein Lehrer, dass es mir nicht gut geht und liess mich 10 Minuten raus um frische Luft zu holen. Ich weinte meine Seele raus, bis keine Tränen mehr übrig waren.

    Ich fühlte mich wie ein lebloser Körper, es schien mir alles Sinnlos. Statt wieder in die Stunde zu gehen, ging ich nach und das einzige was ich in meinem Kopf hatte waren die Schlaftabletten. Ich schluckte eine nach den anderen bis beide Packungen leer waren und fing an vor dem Spiegel mit mir selber zu reden stellte mir vor, dass meine Mutter und Bruder mir gerade zuhören würden und so verabschiedete ich von meiner Familie und dieser Welt.

    9.Juli 2013 wachte ich auf im Krankenhaus und kam nicht klar wo ich mich befinde. Ich lag die fünf Tage im Koma und konnte mich nur erinnern wie jemand mir meine Kontaktlinsen rausnahm. So sehr ich mir wünsche nicht zu existieren war es nicht der Fall und musste es akzeptieren.

    Ich wurde Von zuhause getrennt und in einer Wohngruppe untergebracht wo ich lernen sollte normal zu leben. Ich dachte, dass das der Schlüssel sei für einen Neuanfang und Freiheit aber es zerbrach mir das Herz, dass meine Familie und meine Freunde die mir alles bedeuteten sich von mir distanzierten und die Außenwelt akzeptierte mich nicht. Es fiel mir sehr schwer mit 14 Jahren erwachsen sein zu müssen. Ich wurde ins kalte Wasser geschmissen und musste auf Knopfdruck alles können.

    Ich gab mich als Jemanden vor der ich gar nicht war und fing an mich als sehr stark und selbstbewusst zu zeigen, war ich aber nicht. Ich musste einsehen, dass ich aus meiner Depression nicht draussen war, sondern noch tiefer feststeckte als je zuvor. Ich, genau das Mädchen die sich nach Freiheit gesehnt hatte bemerkte, dass dies nicht meine Freiheit war.

    2014-2015

    Ich erlitt soviel Diskriminierungen, Abweisungen, Enttäuschungen und unendlich viel Hass von der Aussenwelt. Und so nahmen meine Depressionen die Kontrolle über mich. Ich setze ein Lächeln auf und starb innerlich Stück für Stück. Ich konnte keine Beziehungen wie neue Freunde, Arbeitskollegen oder einen Partner auf die Reihe kriegen.

    Obwohl ich wusste wie es ist abgewiesen und verlassen zu werden, verliess ich alle Menschen die mir Nahe kamen, weil ich Angst hatte. Ich war zerbrechlich und müde, müde von dieser Gesellschaft, vom System. Ich wollte nichts mehr von mir Preis geben, ich besass nichts ausser der Maske, welche ich immer aufsetzen musste um zu funktionieren.

    Niemand konnte mich überzeugen, dass das Leben in dieser Gesellschaft einfach ist. Dieser Ablauf vom Leben war nicht das was mich erfüllte. Immer wieder aus dem nichts verschwand ich aus der Bildfläche und wollte nur noch vom Erdboden verschlungen sein.

    Anfang 2016

    Mit Alkohol und Cannabis Konsum konnte ich nicht mehr viel verändern und rutschte in harten Drogen Konsum rein und kam eine lange Zeit nicht raus. Das war meine Flucht von der Realität und bemerkte nicht, dass es mich körperlich und psychisch nur noch mehr schadete.

    In der Arbeitswelt wurde ich nur noch ausgenutzt und sehr schlecht behandelt und musste so einiges über mich ergehen lassen, weil ich nicht wusste was richtig und falsch war und grossen Angst hatte nicht gut genug zu sein.

    Statt mit meiner Therapeutin über alles zu reden täuschte ich ihr Vieles vor und erzählte ihr nur das was hören wollte. Ich stopfte all die Probleme in meinem Kopf rein und täuschte mir selber vor, dass alles in Ordnung wäre.

    Mitte 2016 landete ich wieder in Psychiatrie und die Diagnose hiess dann "Schizoide Persönlichkeitsstörung" meine Welt brach erneut zusammen. Noch mehr Menschen die mich verachteten und noch mehr Zweifel an mir selbst kamen auf und so distanzierte ich noch mehr von der Gesellschaft, sperrte ich mich selber in meinem Zimmer einige Tage manchmal auch Monate.

    Es kam mir vor als wäre ich die einzige, die ein Problemfall sei und bei alle anderen würde es reibungslos laufen, was natürlich nicht stimmte, es redet bloss keiner darüber.

    Ich begegnete eine neue Seele, die neu in der WG einzog. Sie gab mir das Gefühl nicht allein mit meinen Problemen zu sein, dass es in Ordnung ist anders zu sein. Wir zusammen erkundeten die Welt und gaben uns gegenseitig Mut und Kraft am Leben zu bleiben.

    Ihre Beziehung mit ihrem Freund zeigte mir, dass man an einer Beziehung arbeiten muss statt wegen jeder Kleinigkeit Angst zu haben und weg zu rennen.

    Ich fing an, an meiner Person zu arbeiten. Ich machte grosse Fortschritte. Ich wollte keinen Therapeuten. Ich wollte mein eigener Therapeut werden. Ich lernte wie es ist meine eigene beste Freundin zu sein und fing an alles niederzuschreiben, was mich stört, mir gefällt, was mir gut tut und woran ich noch Zweifel habe.

    Ein last fiel mir vom Herzen sobald ich alles nur in Tinte sah.

    Ich konnte auf einmal meine Vergangenheit abschliessen und daraus profitieren. Indem ich immer öfter meine Geschichte erzählte merkte ich schnell, dass es da draussen Menschen gibt die etwa das gleiche oder schlimmeres durch machten.

    Vielen konnte ich ein Stück weiter helfen in dem ich ihnen das Gefühl gab nicht alleine zu sein und merkte, dass ich durch zehn Minuten Austausch einiges verändern konnte! Früher hätte ich mir das gewünscht. Jemanden gehabt zu haben wo mir seine Geschichte erzählte und mir das Gefühl gab, dass schlussendlich ein gutes Ende kommen wird.

    Aus diesem Grund beschloss ich dieser Jemand zu werden und so fand dieser Prozess ein gutes Ende. Nun kann ich sagen das ich zu einer selbstbewussten jungen Frau geworden bin.

    All das was passierte hatte seine Vor- und Nachteile nun bin ich dankbar, dass ich die Vorteile endlich eingesehen habe.

    23.12.2016 bekam ich eine Nachricht von meinem Bruder. Wir trafen uns, erzählten was in den vergangenen Jahren passiert ist und wie sehr wir uns doch vermissten und die Liebe nie verschwand und dass wir alle doch überfordert waren zwischen zwei Welten eine Balance zu finden.

    Ich sah ein, dass es für uns beiden nicht einfach war und weinend drückten wir uns in den Armen.

    26.12.2016

    Nach Vier Jahren betrat ich mein Zuhause. Ich nahm mir vor meine Emotionen unter Kontrolle zu halten aber als ich meine Mutter sah brach ich in Tränen aus.

    Wir weinten Stunden lang und entschuldigten uns als hätten wir was Schlimmes verbrochen, dabei waren wir doch beide nur hilflos und wussten nicht wo entlang.
    Ich kann jetzt meine Mutter sehr gut verstehen, es muss schrecklich sein als Mutter die eigene Tochter in so einem Jungen Alter gehen zu lassen. Damals war ich erstickt in meiner Welt und war nicht Reif genug in die Lage von meiner Mutter hineinversetzen.

    Wie schwer es ist als junge alleinerziehende Mutter, überrumpelt und eingeengt von der Gesellschaft zu sein. Zwischen zwei verschiede Kulturen allen alles Recht machen zu müssen und jeden Tag aufs neue anhören zu müssen, dass man alles falsch macht.

    05.11.2017 Die meisten Jugendlichen ziehen nach der Volljährigkeit aus von Zuhause und ich zog wieder zu meiner Familie ein.

    Ich habe meine Freiheit erlangt!

  • Andri

    Andri


    Meine Geschichte


    Sie beginnt in der Hauptstadt Graubündens, Chur. Hier bin ich aufgewachsen. Dieser Ort prägte mich. Andere würden dies wohl «Heimat» nennen. Ich habe leider schon lange keinen richtigen Bezug mehr zu hierzu.

    Ich redete es mir noch lange nachdem ich weggezogen war ein. Vielleicht hatte ich so ein Heimatgefühl auch nie. Oder ich verlor ihn zu dem Zeitpunkt, an welchem ich viel verlor, an was ich lange geglaubt hatte.

    Der erste Wohnort, an welchen ich mich erinnere, war eine Villa inmitten der Stadt. Ein Paradies um aufzuwachsen. Eine riesige Wohnung, ein riesiges Zimmer, ein überdimensionaler Garten, mit Teich, Wiesen und Wäldchen.

    Ich war schon als Kind nicht der Animator. Eine Tendenz zur Introvertiertheit gab es schon früh, ich war ein Träumer und konnte mich in die Dinge vertiefen. Meine Familie nannte mich früh «Professor». Ich habe von Geburt an schlechte Augen und trotz meiner Brille, vergrub ich mein Gesicht regelrecht in Büchern, Heften und Gameboys. Ich sammelte Insekten und nahm alles genau unter die Lupe. Oft verlor ich mich.

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    Photo © Andri Platz


    Auch sensibel war ich schon als kleiner Junge. Es gibt Kinder, die haben Heimweh. Ich hatte das auch oft. Wenn ich bei meiner Grossmutter bleiben musste oder ins Klassenlager. Prüfungsangst. Ziemlich normal.

    Abnormal wurde es zum ersten Mal als sich meine Eltern anfingen zu streiten. Und es nicht verbergen konnten. Wie auch. Es ist grundsätzlich schon schwierig etwas vor einem Kind zu verstecken. Wenn es sich dann noch um einen Professor handelt wie ich einer war, hilft alles hintenrum verschleiern nichts. «Gspürig». Und das Heimweh kehrte zurück. Und wurde stärker. Und stärker. Und nicht mehr nur, wenn ich ins Klassenlager musste. Oder bei meiner Grossmutter war. Zu Ostern. Oder zu Weihnachten. Oder an einem ganz normalen Schultag.

    Heute weiss ich, dass diese kurzen Zustände vollwertige Panikattacken waren und sind. Sie sind immernoch ein Teil von mir. Die letzte heftigere Episode, an welche ich mich erinnere, dauerte eine geschlagene volle Woche. Sie ist jetzt etwa ein Jahr her.

    Scheidungen machen immer mehr Kinder mit. Ich bin nicht der Einzige. Ich bin nichts Besonderes. Ich weiss heute, dass ich diese, «meine» Scheidung aber nicht so gut verkraftet habe, wie vielleicht andere. Vielleicht war sie auch schlimmer als andere, ich weiss es nicht. Vielleicht war ich sensibler als andere. Ich weiss es nicht.

    In dieser Zeit, mit etwa 8 Jahren, driftete ich ins Grau. Das Paradies wandelte sich in eine haltlose, dunkelgraue Paralellwelt. Ich lernte Gefühle kennen, die kein Kind kennen sollte. Angst, Verzweiflung und Schmerz. Diese wurden unweigerlich ein Teil von mir. Ich lebte lange mit ihnen, ohne mich wirklich ihrer bewusst zu sein. Das ich regelmässig Panikattacken durchlebte, realisierte ich durch meinen Therapeuten etwa 12 Jahre später.

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    Photo © Andri Platz


    Die eigentliche Depression manifestierte sich etwa mit 14 Jahren. Wir hatten zu diesem Zeitpunkt etwa 2 Jahre in Bassersdorf gelebt. Ich zog mit meiner Mutter und meiner 5 Jahre jüngeren Schwester mit, hinein in einen neuen Ort, in ein neues Haus, mit einem anderen Mann zusammen. Die Berufswahl war vor der Tür gestanden. Druck. Meine Selbstabwertungsprozesse und die Selbstkasteiungsmuster in meinem Kopf hatten ihren Höhepunkt erreicht.

    Druck. Ich war schon lange zu einem stummen, unsicheren Jungen geworden und lebte mehr in meiner eigenen Welt, als irgendwo anders. Gepaart mit Zwang zum Perfektionismuss in Schulnoten, sowie den sozialphobischen Gefühlen welche ich entwickelte (ich gehörte nicht zu den beliebtesten Individuen), liess mich am Ende am Sinn des Lebens zweifeln. Ich konnte nicht mehr. Ich wollte nicht mehr.

    Depression, mittelschwere bis schwere Depression, langanhaltende depressive Episode, Depression mit ängstlich-vermeidender Persönlichkeitsstörung. Was klingt denn am besten? Mit welchem Ausdruck rechtfertigt man sich am günstigsten? Und womit rechtfertige ich mich vor mir?


    Ich bekam gerade noch so meinen Sekundarschulabschluss. Ich hatte Glück. Und einen verständnissvollen Schulleiter. Dafür bin ich heute noch sehr dankbar. Wer weiss, in was für Schwierigkeiten ich zusätzlich geraten wäre in dieser Leistungsgesellschaft, ohne Schulabschluss. So begann der nächste Abschnitt meines Lebens. Abseits.

    Ich tritt in eine Psychotherapiestation für Kinder in Zürich ein. Zuhause leben ging nicht mehr. Ich machte die Therapien und die interne Schule mit, war aber vor allen Dingen froh, dass man mir zuhörte. Und den Druck, wenigstens von Aussen, weg nahm.
    Hier verbrachte ich etwa ein Jahr.

    Mein Kampf zurück ging weiter, in Form eines Aufenthalts auf einer sogenannten «Modellstation», erstmals in Winterthur. Ein Modell der Arbeitswelt mit wohnen und arbeiten in einem Block. Hier verbrachte ich etwas mehr als ein Jahr.

    Anschliessend startete ich meine erste «Wiedereingliederungsmassnahme» der IV. Ich startete ein Praktikum in Romanshorn als Polymechaniker. Im höchsten Schulniveau. Dumm? Vielleicht. Kein Selbstbewusstsein? Wohl eher. Ich ahnte schon in meinem vorherigen Aufenthalt, dass ich noch nicht bereit bin.

    Wie soll denn bitte ein 16 Jähriger therapiert werden, geschweige denn wissen, was er will? Eine geschützte Ausbildung mit IV-Unterstützung findet in Betrieben statt, welche sich auf solche Spezialfälle schulen. Es besteht eine höhere Tolleranz gegenüber Leistungseinbrüchen. In die Berufsschule geht man wie alle anderen auch.

    Mein Knackpunkt.
    Die Belastung wurde erneut zu viel. Ich brach die Ausbildung und die Massnahme ab und zog zurück nach Bassersdorf. Ich startete eine ambulante Therapie in Winterthur. Standartmässig, 1-mal die Woche. Daneben besuchte ich eine Tagesstätte in Winterthur, niederschwellig, 3 Stunden am Tag Atellier und an Fahrrädern rumschrauben.

    Nur schon diesen Alltag aufrecht zu erhalten, viel mir unvorstellbar schwer. Schliesslich machte ich es immer noch nicht für mich, sondern für die Gesellschaft. «Wenigstens versucht er es.»

    Irgendwann schaffte ich nichteinmal mehr das. Etwa ein Jahr hatte ich wieder durch, doch mein Fundament war weg, schon seit dem Umzug nach Bassersdorf. Vielleicht liegen die Trümer noch in Chur. Das, was ich danach versuchte aufzubauen, war immer mehr eine Illusion, eine Form im grauen Nebel, verweht vom kleinsten Windstoss.

    Ich landete wieder «Zuhause».

    Man hört viel Schlechtes von der Sozialversicherungsanstalt. Ich bin ihr trotzdem sehr dankbar. Nachdem ich vielleicht ein halbes Jahr Zuhause vergilbte, wurde eine Rentenprüfung durchgeführt.

    In Folge dieser, sollte ich nun einen weiteren stationären Aufenthalt auf einer Psychotherapiestation tätigen. Ich war lange Zeit nicht glücklich darüber. Heute bin ich es.

    Diese 6 Monate waren bisher die prägendsten meines Lebens. Sie kennzeichnen einen weiteren Wendepunkt. Vielleicht war ich einfach nur endlich alt und empfänglich genug. Vielleicht war die Therapie besonders gut. Vielleicht beides. Die Menschen, welche ich aber an jenem Ort traff, kennen-, mögen-, und lieben lernte, berührten und veränderten mich.

    Ich bin überzeugt, ohne sie wäre ich heute niemals wieder so weit. Ich wiederhole nicht gerne ständig Gesagtes, abgedroschene Sprüche. Trotzdem; vielleicht haben «kranke» oder «verrückte» Menschen wirklich etwas besonders Gutes an sich. Vielleicht hatte ich Glück und genau zu jener Zeit versammelten sich so viele besondere Persönlichkeiten an jenem Ort, welcher sich Psychiatrie nennt.

    Viele Menschen treten in dein Leben. Doch nur wenige verstehen es, Spuren in deinem Herzen zu hinterlassen.



    Nun sitze ich hier und schreibe jene Zeilen. Der Aufenthalt auf der Station in Winterthur ist jetzt etwas mehr als 2 Jahre her. Ich arbeite nun schon etwa seit einem Jahr 80% im Büro und es macht mir Spass. Ich tue es für mich. Seit etwa einem Jahr habe ich meine Passion wieder aufgenommen und fotografiere leidenschaftlich und intensiv als Hobby. Im August habe ich mit 25 Jahren erneut eine geschützte Ausbidung angefangen, dieses Mal in einer Stiftung in Winterthur, im Büro. Ich fühle mich bereit.

    Die Frage bleibt; warum erzähle ich meine Geschichte?
    Als ich diesen Text schrieb, vielen mir am Ende einige Tränen auf die Tastatur. Dieses ganze Projekt hilft mir, zu realisieren, zu verarbeiten, mich zu outen und nicht zuletzt, selber zu helfen.

    An jeden, der um sein Leben kämpft. An jeden, der am Ende ist und nicht mehr kann. An jeden, für den sich die Zeit dreht aber nichts passiert. Gib nicht auf. Irgendwann geht es weiter. Die schlechte Zeit geht vorbei, auch wenn sie schon so unglaublich lange gedauert hat. Ich verstehe dich.

    Ich kämpfe nun seit über 10 Jahren. Und es geht weiter.


    Bilder von Andri auf Instagram:





  • Nina

    Nina

    Zweiradmechanikerin und Rennradfahrenin

    Wenn das Liebste bedeutungslos scheint


    Zu meiner Person:

    Mein Name ist Nina und ich bin 23 Jahre alt. Seit mittlerweile bald 3 Jahren arbeite ich als Zweiradmechanikerin in meiner Lieblingsstadt Zürich. Mein Wohnsitz liegt in Chur, pendeln gehört zu meinem Alltag.

    Zu meinen Hobbies gehört das modeln und das Rennradfahren. Körperliche Fitness liegt mir sehr am Herzen, deshalb trainiere ich auch bis zu 6 mal pro Woche.

    Meine Story:

    Bist du im Einklang mit dir selber, was siehst du wenn du in den Spiegel schaust?

    Diese und viele weitere Fragen begleiten mich nun schon seit über 4 Jahren.

    Unzufrieden mit sich selber sein, dieses Problem kennen viele. Aber was bedeutet es, wenn es dich bis in die Magersucht treibt? Diese eine Stimme im Kopf die dir immerzu sagt, dass du eines Tages das Gefühl der kompletten Kontrolle über dich erlangst. Du wirst wenn du dich im Griff hast deinen Körper wieder mögen!

    Kontrolle, ein tolles Wort.. Nur ist die völlige Kontrolle in dieser Branche irgendwann wenn du Pech hast dein Todesurteil.

    Lange Zeit habe ich mich von dem Gefühl mich irgendwann wieder wohl zu fühlen antreiben lassen. Bis ich eines Tages feststellen musste, dass mir die Kraft Sport zu machen fehlte. Sport, mein Rennrad das Ticket in die Freiheit. Es gibt mir das Gefühl von Glück und Zufriedenheit.

    Ich begann meinen Psychotherapeuten zu besuchen, dank ihm, meinem Umfeld und meiner Willenskraft schaffte ich es innerhalb von 6 Monaten komplett aus der Magersucht.

    In der Zeit durchlitt ich einen Kampf mit mir selber. Ich musste lernen mich zu akzeptieren, zu Essen, das Essen in meinem Körper zu halten.

    Im Januar 2018 konnte ich von mir behaupten, die Krankheit besiegt zu haben.

    nina nina

    Photo © Bettina Humm,
    Styling/Makeup Miracle Make Up



    Sommer 2018

    Beruflich werde ich mittlerweile sehr gefordert, die Arbeit und die Verantwortung meinerseits im Betrieb werden grösser. Langsam aber sicher merke ich auch wie mir die insgesamt 3 Stunden täglich an Arbeitsweg zusetzen. Ich bin von 9 Uhr bis 19Uhr Abends im Betrieb. Es ist zu erwähnen, dass ich meine Arbeit sehr mag, ich liebe den Kundenkontakt und die technischen Herausforderungen in der Werkstatt.

    Ich beginne weniger zu schlafen und mehr Alkohol zu konsumieren. Anfangs hilft das beim abschalten und den Feierabend zu geniessen.

    Mit der Zeit wurde ich Unglücklich. Ich wurde kalt und emotionslos, niemand konnte mich mehr für Aktivitäten begeistern, ich hatte das Gefühl keine Energie mehr zu haben. Mein Appetit sank drastisch. Ich sehnte mich nach Nähe, Familie und meiner Partnerin. Doch sobald sie da waren wurde mein Zustand schlimmer. Ich bekam Schuldgefühle, weil ich keine Freude für ihre Anwesenheit empfinden konnte. Ich hatte was ich wollte und wollte es im selben Moment wieder loswerden. Das Gefühl zu ertragen, dass dich niemand aus deinem traurigen Zustand holen kann, machte es umso schwieriger es auszuhalten. Ich war müde, dauernd, ich wollte nur noch schlafen. Das schlechte Gefühl «verschlafen.»

    Bist du im Einklang mit dir selber, was siehst du wenn du in den Spiegel schaust?


    Diese Leere, das Gefühl nicht stark genug für dieses Leben zu sein. Wer möchte denn schon zu den «schwachen» gehören? Wer würde dir überhaupt glauben geschweige denn ernst nehmen?

    Äusserlich fehlt mir ja nichts oder?

    Wie so oft, war es mein liebstes Hobby, dass mir die Augen öffnete. Als ich feststellen musste, dass ich die Lust Fahrradfahren komplett verlor, war mir klar dass sich etwas ändern sollte.

    Herbst 2018

    Ich arbeite an mir, meinem Umfeld der Arbeit, meinem Wohnsitz und bemühe mich durch verschiedenste Aktivitäten die Freude am Leben zurück zu erlangen.

    Ich mache Fortschritte, mittlerweile habe ich wirklich gute Tage und ich bin guter Dinge, dass ich es daraus schaffe!

    Mir war nie bewusst wie ernst Depressionen zu nehmen sind.

    In der heutigen Gesellschaft ist es nicht einfach mit dem ständigen Leistungsdruck umzugehen. Ich rate jedem und jeder sich bei den kleinsten Anzeichen helfen zu lassen.

    Das Thema ist ernst zu nehmen und wird in meinen Augen unterschätzt. Es kann jeden treffen.

    Aus diesem Grund, gebt auf euch acht. Ihr seid das einzig wichtige.